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 Betreff des Beitrags: Literatur
BeitragVerfasst: Mi, 18 Mai, 2005 5:10 
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Schlaflieder aus Schweden
Kommissare aus der Villa Kunterbunt: Warum skandinavische Krimis so erfolgreich sind
von Wieland Freund


Krimi-Autor Mankell in Leipzig
Foto: dpa
"Der Mord, der aus der Kälte kam", titelt das Internetportal "Schwedenkrimi". Aber bevor man sich einen Mord auf zwei Beinen oder wenigstens vier Rädern vorstellt und an John le Carré denkt, der mit all dem nichts zu tun hat, begnüge man sich mit Zahlen. "Schwedenkrimi" zählt 120 skandinavische Krimiautoren auf dem deutschen Markt - "schätzungsweise 40 davon aus Schweden". Schon wird über eine fiktive Entvölkerung des Landes spekuliert, auch von Ermüdungserscheinungen, Marktsättigung, Trendwende ist die Rede.


Solange allerdings elf der 100 bestverkauften Taschenbücher in Deutschland von Henning Mankell stammen, wird weiter importiert. Gehetzte Lektoren kaufen Spannung aus Schweden, vielleicht mit Sorgenfalten auf der Stirn, aber sie tun es doch. Derzeit wird mit Åsa Larssons "Sonnensturm" das "beste schwedische Krimidebüt" versprochen - ein Werk, das sich, folgt man der Selbstdarstellung der Autorin, eher der Laune der Inspiration als einer Tradition und ihrer Kenntnis verdankt. Und mit Leif G.W. Persson ist schließlich auch der letzte der vier großen Spannungsautoren aus Schweden endlich übersetzt: Liza Marklund, Henning Mankell, Håkan Nesser - das sind die anderen drei.


"Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte des Winters" ist Perssons erster Krimi nach 20 Jahren, in denen er als Professor der Kriminologie, Berater der obersten Polizeibehörde und Medienexperte wenigstens in Schweden von sich reden machte. In Deutschland, so vermutet es der Stockholmer Literaturwissenschaftler Jan Arnald, der als Arne Dahl sehr erfolgreiche Krimis schreibt, gebe es einen "Exotismus des Nordens".


Sehnsucht nach langen Nächten und kurzen Sommern also, einer glatt gewaschenen Schärenküste und kunterbunten Holzhäusern? Immerhin kommt kein Beitrag zu Åsa Larssons Debüt ohne den Hinweis aus, der Roman spiele 200 Kilometer nördlich des Polarkreises. Andererseits vermarktet der Buchmarkt schon immer nationale Klischees. Dreiecksgeschichten importiert man deshalb aus Frankreich, Kindheiten aus Irland und Krimis eben aus Schweden. Das hat, wie Åsa Larssons weiß, mehr mit initialen Erfolgen und ihrer anschließenden Vermarktung als mit Traditionen zu tun. Krimischreiber, -preise, -festivals gibt es in Deutschland auch, nur fällt E.T.A. Hoffmanns "Fräulein von Scudery" gegen den legendären zehnteiligen Krimi-Zyklus von Maj Sjöwall und Per Walhöö und den unvergessenen Erfolg von Peter Hoegs "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" nicht ins Gewicht. Es folgen Autoren mit der Nase im Wind: Schriftsteller wie Åke Smedberg und Henning Mankell haben sich ein nationalliterarisches Klischee schlicht zu eigen gemacht, als sie auf den Krimi umsattelten. Auch amerikanische Schriftsteller spekulieren mit Einwanderer- oder Familiengeschichten auf den internationalen Erfolg.


Am Siegeszug des Schwedenkrimis allerdings dürfte auch eine Autorin beteiligt sein, die nie einen Krimi geschrieben hat: Astrid Lindgren nämlich. Ihr heiles, behagliches Schweden ist für den internationalen Erfolg des Schwedenkrimis womöglich konstitutiv. Schweden mag nach den Morden an Ministerpräsident Olof Palme und Außenministerin Anna Lind so wenig Schweden sein wie Holland noch Holland ist, die fiktiven Kommissare aus dem hohen Norden ermitteln dennoch unverdrossen in der Villa Kunterbunt. Ganz Pipi-mäßige Kapitalismuskritik gehört seit Sjöwall/Walhöö schlicht zum guten Ton, und selbst der gelegentlich mit allerlei Grausamkeiten auf eine andere Tradition spekulierende Arne Dahl läßt sich zu stramm anti-konsumistischen Kalenderweisheiten hinreißen: "Aktienwert hat Menschwert ersetzt", entrüstet er sich.


Bis heute streitet der skandinavische Kriminalroman für eine offene, emanzipierte Gesellschaft: mit faschistischen Bösewichtern und sozialschwachen Täteropfern ebenso wie mit einer lesbischen Polizistin, dynamischen Müttern und grimm und grau gewordenen Veteranen der Studentenrevolte. Deren unverzichtbare Melancholie ist bloß das Ordens- und Ehrenszeichen eines tapferen und letztlich unkaputtbaren Idealismus.


Es ist ja kein Zufall, daß wir den Thriller aus den USA importieren und den Krimi aus dem scheinbaren Reservat des Sozialstaats. Denn während der Thriller den einsamen Gejagten zeigt, gesellschaftliche Ängste in Geschichten gießt und das Happy End nur als ein Davonkommen denken kann, hüten Krimis wie Träume den Schlaf der Gerechten. Im Thriller wird bloß überlebt, im Krimi hingegen die Ordnung wiederhergestellt. Versprochen wird statt heiler Haut die heile Welt.


Der Krimi ist ein bürgerliches Genre: Während im Thriller der Detektiv allein und auf eigene Rechnung ermittelt, der Kommissar mindestens suspendiert ist, sind Wallander & Co. verbeamtete Vertreter der Staatsmacht, die sie - wie Leif GW Perssons systemkritischer Kriminaldirektor Lars M. Johansson - selbst mit fundamentaler Kritik noch beglaubigen.


Sjöwall/Walhöö übernahmen vom Amerikaner Ed McBain, den sie zunächst übersetzten, beinahe alles, nicht jedoch den Geist der einsamen Wölfe aus der ruppigen "Hard-boiled"-Schule. Der Amerikaner Martin Cruz Smith wiederum übernahm von Sjöwall/Walhöö beinahe alles, nur vom Vertrauen seines Ermittlers in die Obrigkeit war keine Rede mehr. Smiths Moskauer Ermittler Arkadi Renko ist Sjöwall/Walhöös Martin Beck, nach dem man in Schweden gar einen Krimipreis benannt hat - nur glaubt Arkadi nicht an das gemeinschaftlich organisierte Glück jener Gesellschaft, deren Fundamente er pflegt.


Neulich übrigens vermeldete eine Elternzeitschrift, daß ausgerechnet in Schweden die Tradition des Schlaflieds bedroht sei. Das ist ein kolossaler Irrtum, Schlaflieder aus Schweden sind populär. Gehen Sie doch mal in eine Buchhandlung. Da hören Sie die Wallander-Chöre singen.


Artikel erschienen am Mi, 18. Mai 2005

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