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BeitragVerfasst: Mo, 20 Sep, 2010 14:06 
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Hier ist wohl der richtige Platz für einen kleinen Laufbericht. Wer mag, ist herzlich eingeladen, hier zu lesen. Vita

Hans-Christian-Andersen Marathon, Odense/Dänemark
© Marten Petersen 20. September 2010

In mehr als 20 Jahren bin ich sicher 400 Mal an Odense vorbei gefahren, auf dem Weg von Nordfriesland nach Småland, wo unser Feriendomizil ist, oder auf dem Weg zurück. Der Marathon führte mich nun erstmals in diese Stadt, die mit ihren knapp 200.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt unseres nördlichen Nachbars ist.
Die Stadt ist Zentrum der Verwaltung, des Handels- und Gewerbes und der Kultur der Ostseeinsel Fyn, zu deutsch Fünen. Der kulturell orientierte Mensch denkt zuerst an Hans Christian Andersen, der hier geboren wurde, aufwuchs und später mit seinen Fabeln und Märchen weltberühmt wurde. Das wertvolle Erbe wird mit Respekt und Sinn fürs Geschäft verwaltet. Das Stadtzentrum gibt sich immer noch so verwinkelt, historisch herausgeputzt und überschaubar wie vor 200 oder 300 Jahren, als Odense ein bedeutendes Handelszentrum war.
Der HCA-Marathon, wie der Lauf abgekürzt genannt wird, ist nach Stockholm, Kopenhagen und Helsinki der viertgrößte Marathon Skandinaviens. Und, um es vorweg zu nehmen, wohl der schnellste. In diesem Jahr lag die Siegerzeit bei gut zwei Stunden und 10 Minuten.
Der Marathonlauf ist eingebunden in eine Reihe weiterer Läufe. Im Halbmarathon werden die Damen und Herren getrennt auf die Strecke geschickt, die Kinder laufen den Minimarathon über 4,2 Kilometer. Insgesamt gehen mehr als 4.000 Sportler auf die zweimal zu durchlaufende Stadtschleife.
Vor, während und nach dem Lauf steht den Läufern praktisch das gesamte Sportzentrum zur Verfügung. Die obligatorische Sportmesse war informativ und überschaubar. Direkt vor dem Stadion befindet sich der Startbereich. Keine großen Absperrungen, keine sichtbaren Ordnungshüter, trotzdem geht alles reibungslos, keiner drängelt, alles läuft in Ruhe ab. Skandinavisch eben.
Im Startblock reihe ich mich bei den Pacemakern für die Zielzeit 3:30 ein. Mal sehen, ob es geht. Da ich Anfang des Jahres Verletzungspech durch Knochenbrüche hatte, fehlten mir doch ein paar Hundert Trainingskilometer. Aber die Vorbereitungsphase war gut, ein paar Tempoläufe, einige schöne lange Läufe, aber nichts Besonderes.
Der Bürgermeister gibt den Startschuss und los geht´s. Anfangs bin ich etwas enttäuscht, denn große breite Straßen führen durch Industriegebiete. Wenig abwechslungsreich. Dann kommt man zum Hafen und erahnt etwas von der früheren großen Handelstradition der Stadt. Schließlich führt uns die Strecke in die Innenstadt. Einige winklige Gassen, renovierte Fassaden, einige historische Gebäude lassen die alte Schönheit aufflackern. In der Fußgängerzone wird richtig Stimmung, gemacht, aber auch unterwegs immer wieder Live-Musik oder dröhnende Lautsprecher.
Ich hänge mich an das Trio unsere Pacemaker und laufe einfach mit. Man garantiert uns eine Zeitgenauigkeit von +- 30 Sekunden, mit der man das Ziel erreichen will. Das hört sich gut an, denn seit 2007 geht meine Schlusszeit immer mehr in den Keller! Von den alten 03:19 Stunden kann ich nur träumen, wenn man auf die 60 zu geht. Zuletzt 2007 waren es noch 03:30, danach bis 03:45. Ich komme gut zurecht, habe keinerlei Schwierigkeiten, mitzuhalten. Den Halbmarathon legen wir exakt in 01:45 Stunden zurück. Der Plan scheint aufzugehen. Nun wieder raus auf die inzwischen bekannte Strecke. Bis Kilometer 30 fühle ich mich weiterhin pudelwohl, denn die Verpflegung auf der Strecke ist erstklassig: alle 2,5 Kilometer Getränke in Form von Wasser oder Energydrinks, alle 5 Kilometer auch Bananen, später Riegel. Und als Besonderheit (habe ich noch nie gesehen): Auf Pfählen befestige Vaselinedosen.
Ab Kilometer 30 merke ich nachlassende Kraftreserven. Die Eigenverpflegung hilft zwar gut, aber trotzdem nehme ich etwas Tempo raus. Das hat Erfolg: Ich schlage dem befürchteten Mann mit dem Hammer ein Schnäppchen, er hat keine Chance, ich kann stetig weiter laufen. Der Nachteil ist, dass ich den ersehnten Kick mit den Halluzinationen nicht bekomme. Oder doch? Was ist das für ein armselig gekleidetes Mädchen, das sich dort an die Hauswand des Patrizierhauses lehnt, im dicken Mantel und auf den Boden gesunken. Sie hat ein Päckchen Schwefelhölzer dabei. Ich laufe über den Bürgersteig, hin zu ihr, will helfen. Aber plötzlich ist das Bild weg, ich treibe weiter in Richtung Ziel.
Irgendwo vor mir sehe ich den Ballon meiner Pacemaker, aber meine Zielzeit kann ich mir abschminken. Noch einmal spielt mir mein Gehirn einen Streich, als ich einen nackten Mann mit einer Krone auf dem Kopf zu sehen glaube. Der Kaiser! Aber nein, das Bild verschwimmt sofort wieder.
Nun sehe ich die Flutlichtlampen des Stadion, noch zwei Kilometer. Keine Probleme, weiter laufen, rein ins Stadion, eine knappe Runde auf der Tartanbahn. Ein beeindruckendes Erlebnis, so ein Stadioneinlauf vor Publikum!.
Eine dicke Medaille mit dem Bildnis, na von wem wohl? Reichliche Verpflegung, ein wahrer Wochenmarkt!
Nochmals Odense? Ja gern, so ein unauffällig organisierter Lauf mit hervorragendem Service. Das lohnt sich allemal!
Hier nun meine Laufdaten: Schlusszeit 03:34:04 Stunden. Rechjt gleichmäßiger Lauf: KM 1-10: 04:54 Minuten, KM 11-20: 04:56 Minuten, KM 21-30 04:56 Minuten, KM 31-42: 05:04 Minuten. Ich bin absolut zufrieden!

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BeitragVerfasst: Mo, 20 Sep, 2010 17:52 
Hochachtung!!!!würde ich nie hintereinanderbekommen....Viel Glück weiterhin....

liebe Grüsse saga :YY:


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BeitragVerfasst: Di, 21 Sep, 2010 12:00 
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das glaub ich dir gerne das es Spass macht.....
Hut ab... :hey:

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viele Gruesse Haegar


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BeitragVerfasst: Di, 21 Sep, 2010 13:18 
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Danke euch Beiden! Nächstes Jahr sind Kopenhagen und Växjö dran, Malmö, Stockholm und Kristianopel durfte ich schon genießen! Vita

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BeitragVerfasst: Di, 21 Sep, 2010 16:51 
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wenn du mal auf der 62 unterwegs bist sag bescheid....ich mach ein Isodrink fertig und schmeiss ihn dir hinterher :lol: :YYBP:

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viele Gruesse Haegar


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BeitragVerfasst: Mi, 22 Sep, 2010 6:44 
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OK danke, ich melde mich dann. Vielleicht noch ne Banane dazu? Vita

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BeitragVerfasst: Mi, 22 Sep, 2010 7:59 
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Also Vita, endlich hatte ich Zeit, hier zu lesen. Ich bin beeindruckt :perfekt: Habe mich oft gefragt, warum macht jemand sowas, aber irgendwie ging mir nun endlich ein kleines Licht auf ..... die Läufer suchen "den Gehirnkick", eigentlich einleuchtend :D
Ich hoffe, wir können noch einige deiner Läufe mitlesen. Hat Spass gemacht, zu lesen und war sehr intressant :YYBP:
DANKE und weiterhin viele Lauferfolge wünscht dir
Lis :rosen:

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Det ska va gött å leva annars kan det kvitta....
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BeitragVerfasst: Mi, 22 Sep, 2010 8:49 
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Danke - Lis, für Deinen Beitrag. Und da gönne ich Dir gern einen Bericht über den Stockholm-Marathon 2006. Und ich verspreche: Den nächsten Bericht gibt es erst nach dem nächsten Marathon in Schweden! Gruß Vita


Stockholm 2006 – ein Marathon mit Hindernissen
© Marten Petersen

Mit meinen 54 Jahren bezeichne ich mich immer noch als Frischling, zumindest was den Laufsport angeht. Ich laufe seit etwa acht Jahren, bin bisher zehn Mal Finisher mit einer Bestzeit von 03:19:30, gelaufen in Berlin 2003.
Immer wieder wird der Stockholm-Marathon bei internationalen Umfragen als der schönste Stadtmarathon der Welt bezeichnet. Warum dieser Lauf bisher nicht auf meinem Kalender stand, weiß ich selber nicht, bin ich doch seit 1988 ständiger Urlaubsgast in diesem schönen skandinavischen Land. Seit einigen Jahren bin ich auch Besitzer eines Ferienhauses.
Von unserem Ferienhaus in Småland aus sind es knapp vier Autostunden bis Stockholm. Und wer die schwedischen Verkehrsverhältnisse und Fahrgewohnheiten kennt, der weiß, wie relaxed man am Fahrtziel ankommt. Zumindest, wenn nicht zu viele Kleinigkeiten schief gehen. Und genau das passierte an diesem Tag!
Wir sind erst vor 24 Stunden von Norddeutschland über Dänemark nach Schweden gefahren. Genau siebenhundert Kilometer, acht Fahrtstunden. Wir sind nachts gefahren, kamen also entsprechend müde an. Trotz der Müdigkeit konnte ich am Vorabend des Laufes nicht einschlafen, es wurde eine unruhige Nacht. Hatte ich es mit der heimischen Nudelparty übertrieben? Aber ein paar Stunden Schlaf wurden es doch. Jeder Läufer kennt das folgende Spiel: Obwohl die Sporttasche schon am Vortag gepackt worden ist, wird immer und immer wieder geprüft: Sind die Startunterlagen komplett? Hast du alle Klamotten dabei? .Hast du die richtigen Laufschuhe eingepackt? Wo ist der Chip, ohne den gibt es keine Zeitnahme. Natürlich ist alles klar, nichts vergessen. Aber sicher ist sicher … Nochmals kontrollieren.
Wir konnten in Ruhe frühstücken, da der Start erst um 14 Uhr stattfinden würde.
Kurz nach acht Uhr konnten wir uns auch auf den Weg nach Norden machen.
Und so kam es, dass wir bereits vor zwölf Uhr in der schwedischen Hauptstadt am Mälaren ankamen. Unterwegs ein Erlebnis der besonderen Art: Ich habe eine Elchkuh mit ihrem Jungen gesichtet, von der Fahrbahn durch einen Maschendrahtzaun getrennt, direkt neben der Autobahn Höhe Linköping. Leider glaubt meine Frau mir das bis heute nicht. Denn sie hatte für einen Moment die Augen geschlossen. Und da der Anblick eines Elches ein absoluter Höhepunkt einer Schwedenreise ist, und man gerade diesen Moment versäumt, ist es verständlich, wenn die Stimmung sinkt. Vielleicht war das auch der Grund dafür, dass eine gewisse Gereiztheit zwischen uns entstand. Wir diskutierten über den richtigen Weg, über mein Fahrverhalten, über das Wetter, über die anderen Autofahrer. Also über Lächerliches, aber die Stimmung war bei uns beiden dahin. Das steigerte sich noch, als wir die Hauptstadt erreichten. Ich hatte die grobe Richtung innerhalb der Stadt verinnerlicht und fuhr drauflos, Richtung Lidingö. Das Wort hatte ich mir gemerkt und suchte Hinweisschilder. Meine Frau studierte den Stadtplan und sucht ihrerseits einen Weg. Ich setzte mich störrisch durch: „Ich fahre, ich bin verantwortlich, wenn wir uns verfahren und zu spät kommen. Aber ich habe meine Richtung im Kopf“. Dem bösen Blick meiner Frau folgte stummes Verharren. In der Innenstadt waren die Nerven zum zerreißen gespannt. Ich kam mit den Fahrspuren durcheinander und merkte erst im letzten Augenblick, dass mir ein Taxi entgegen kam. Der offensichtlich südländische Fahrer lehnte sich mitleidig lächelnd aus dem Fenster. Dann kam uns die königliche Reiterparade in die Quere, wir mussten warten. Aber das war schon ein schönes Schauspiel, das man uns bot. Und plötzlich: wir waren Richtung Olympiastadion, standen im Valhallavägen, wo wir auf dem breiten Mittelstreifen einen Parkplatz fanden. Von hier waren es nur ein paar Hundert Meter bis zum Olympiastadion.
Nun lockerte sich auch unsere Stimmung, der kleine Streit war verflogen. Das Wetter war gut. Wir packten unsere Taschen und machten uns auf den Weg zum Startbereich am Olympiastadion.
Dieses Stadion ist selber in mehrfacher Hinsicht ein Weltrekord: Es ist das älteste noch im Betrieb befindliche Olympiastadion. Hier fanden 1912 die fünften Olympischen Spiele statt, und hier wurden 83 Weltrekorde aufgestellt, mehr als in jedem anderen Olympiastadion der Welt. Ein Blick in die bereits geöffnete Arena entfachte schon die Vorfreude auf den für etwa 17 Uhr 30 Uhr geplanten Zieleinlauf.
Das Wetter war glänzend, aber für einen Marathonlauf mit 23 ° fast zu warm. Der leichte Wind vom Mälaren-See tat gut. Der blaue Himmel mit den weißen Wolken gab einen herrlichen Hintergrund für die Stadtkulisse.
Auf dem neben dem Stadion gelegenen Sportfeld sammelten sich die 17.250 Starter aus 57 Nationen aller Erdteile, davon ca. 1.100 aus Deutschland. Hier befanden sich alle Stationen der Startnummernausgabe, Infostände, Getränkeversorgung verschiedener Sponsoren, Gepäckablagen, Wertsachenverwahrung, Erste Hilfe usw. Verschiedenfarbige Ballons kennzeichneten die Ausgänge zu den nach Leistungsvermögen aufgeteilten Startblöcken. Ich durfte im zweiten der fünf Startblocks antreten. In diesen Startblocks standen genügend Getränke, aber auch Toiletten zur Verfügung, ein Service, den ich bislang noch nirgendwo erlebt hatte. Auch wurde recht genau kontrolliert, dass sich keine übereifrigen “Drängler” von hinten nach vorne schmuggelten. Mir gingen die verschiedenen Widrigkeiten durch den Kopf, den dieser Tag schon gebracht hatte: Müdigkeit, die Fahrt, der Streit, die Wärme. Und nun verlor ich im Startgedränge auch noch meinen Trinkgürtel! Aber es ging gut, ich konnte ihn neu umbinden.
Bei diesem Lauf hatte ich etwas Besonderes vor und mir eine Einwegkamera gekauft. Sie wog nur einige Gramm und störte beim Laufen kaum. Beim Start schoss ich mehrere Bilder, indem ich die Kamera einfach hoch über die Menge hob und abdrückte.
Pünktlich und reibungslos erfolgte der Start um 14 Uhr. Beim Herabzählen der letzten 10 Sekunden aus den Mündern von Tausenden begeisterten Startern aus der ganzen Welt lief nicht nur mir eine Serie von Schauern über den Körper. Überflüssige Hemden und T-Shirt flogen in die Zuschauermenge, dann setzte sich das Feld in Bewegung, je nach Position erst auf der Stelle tretend, dann langsam in die Vorwärtsbewegung übergehend.
Eigentlich träumte ich davon, nochmals eine Bestzeit zu erreichen, aber bereits in der Vorbereitung hatte ich das Ziel auf dreieinhalb Stunden reduziert. Nun war die Wärme dazu gekommen, so dass ich sicherlich eine Viertelstunde zusätzlich verlieren würde. Zudem hatte ich mehrere Laufkollegen aus meinem schwedischen Verein im Feld. Ich würde sie suchen und kurz mit ihnen reden. Das bedeutete, dass ich erst sehr schnell sein musste, um die Zeitschnellsten zu erreichen, danach würde ich mich zurückfallen lassen, um die Langsameren zu finden. Sie staunten nicht schlecht, als ich die Kamera auf sie richtete!
Verflixt! Meine Uhr hatte ihren Geist aufgegeben, wahrscheinlich die Batterie. Nun war ich auf die externen Zeitangaben angewiesen. .Aber das war nicht schlimm, waren doch alle fünf Kilometer Zeitmessungen aufgestellt.
Die Gesamtstrecke bestand aus zwei weitgehend identischen Runden durch die Stadt und seine Parks. Vom Stadion ging es breite, in der Mitte geteilte Straße hinunter hinunter, durch den Stadtpark Gärdet. Wir durchliefen das Stadtzentrum mit seinen Prachtstraßen, dann durch Gamla Stan, der historischen Altstadt mit dem Königlichen Schloss und den vielen anderen historischen Gebäuden. Immer wieder über Brücken, die die vielen Inseln der Stadt miteinander verbanden. Ein nennenswerter Anstieg führte uns über die Hochbrücke über den Mälaren-See. Von hier hat man einen fantastischen Blick über eine der schönsten Städte Europas. Blaues Wasser, grüne Parks und eine wunderbare Stadtkulisse dominieren das Bild. Hier stieg ich auf eine Leitplanke, um einen bessern Platz zum Fotografieren zu finden. Sie Strecke führte weiter über die Insel Kungsholmen nach Östermalm, wo die erste Runde endete. Hier traf ich auch wie verabredet meine Frau, die als Zuschauerin an der Strecke stand. Einfach unglaublich, dass wir uns in dieser Menschenmenge tatsächlich entdeckt haben. Wir tauschten den wohl nassestem Kuss aller Zeiten aus. Und was für ein Glücksgefühl, was für ein Motivationsschub davon ausging! Sie nahm mir den voll geschossenen Fotoapparat ab.
Jetzt auf die zweite Runde, die uns durch Djurgården führte. Danach verlief die Strecke wieder identisch mit der ersten Runde. Der zweite Anstieg über Västerbron fiel mir nun unglaublich schwer. Das kostete Kraft und selbst das Gefälle auf der anderen Seite konnte mir die verlorene Kraft nicht zurück geben. Ich musste höllisch aufpassen, nicht vom Laufen ins Gehen zu verfallen. Der sprichwörtliche Mann mit dem Hammer ist immer dabei, ein unumstößliches Gesetz des Marathonlaufes. Aber ich biss mich durch, auch wenn ich Zeit verlor. Macht nichts, weiter laufen. Daran, dass meine Frau ab 17 Uhr dreißig auf meinen Einlauf ins Stadion wartete, dachte ich in diesem Moment überhaupt nicht. Dabei wurde für sie jede Sekunde zur Minute, jede Minute zur Stunde. Ihre Gedanken jagten durch den Kopf: Was ist, wenn ihm was passiert ist? Wie soll ich ihn finden? Wen kann ich fragen und reicht mein schwedisch aus, um mich zu verständigen? Sie hatte sogar kurzzeitig das Stadion verlassen, um mir entgegen zu laufen, war dann aber wieder zurück gekehrt. Sie hat Blut und Wasser geschwitzt und die schlimmsten Bilder vor Augen gehabt.
Etwa bei Kilometer 38 fiel mir die Läuferin vor mir auf. Sie schaute ständig nach links in die Zuschauermenge, drehte immer wieder den Kopf und lief unkontrolliert. Sie suchte jemanden. Plötzlich machte sie kehrt und lief mir entgegen! Wir prallten mit den Schultern aneinander. Und da sie etwas schmächtiger war als ich, flog sie in hohem Bogen über die Absperrung in die Zuschauer! Ich lief zu ihr, aber ihre Bekannten winkten ab, sie kümmerten sich um die „Geisterläuferin“. Mir war nichts weiter passiert, aber später merkte ich die Prellung an der Schulter.
Das für mich beeindruckendste Erlebnis war der Einlauf in das voll besetzte Stadion. Etwa einen Kilometer zuvor wurde mir von den mitgereisten Vereinsfans eine Rose in die Hand gedrückt. Sie waren gekommen, um uns mit typisch schwedischen heja!-heja!-Rufen zu unterstützen. Nun war auch der fast frenetische Jubel aus Tausenden Kehlen zu hören. Das Stadion! Ein unablässiger Beifallssturm, obwohl die Spitzenläufer bereits seit 80 Minuten eingetroffen waren. Nun lief ich durch das ehrwürdige Marathontor auf die letzte Runde. Ein ohrenbetäubender Lärm empfing mich. Tausende applaudierten, riefen und jubelten. Sie jubelten mir zu, mir allein galt der Beifall, Nur mir. Oder? Die Begeisterung machte mir leichte Beine, vergessen die Strapazen von 42 Kilometern, vergessen das kleine Drama am Västerbron, vergessen der Zusammenprall mit der Läuferin. Ich zählte vierzig Läufer, die ich auf dieser Zielrunde noch hinter mir lassen konnte. Im Laufen forderte ich mit beiden Armen zu mehr Beifall auf. Und tatsächlich hatte ich das Gefühl, mit deiner La-Ola-Welle um das Stadion zu laufen. Unglaublich. Gänsehaut-Feeling. So etwas hatte ich noch nicht erlebt.
Nun der Spannungsabfall, das langsame Austrudeln, ein Blick auf die Uhr. Eine Medaille wird umgehängt. Es gibt eine kleine Budenstadt auf dem riesigen Sportfeld. Dort werden Getränke und Snacks angeboten. Ich nehme hiervon und davon. Der Kopf ist klar, der Puls schon wieder im grünen Bereich. Meine Frau hat den Weg auf das Sportfeld gefunden. Die Gewissheit, dass es mir gut geht steht ihr in den Augen geschrieben. Erst jetzt wird mir bewusst, wie sie gelitten hat. Sie erzählt mir von ihren Ängsten und Nöten, von denen ich nichts geahnt hatte. Auch dafür liebe ich sie.

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BeitragVerfasst: Mi, 22 Sep, 2010 9:11 
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Danke, Vita :D
Hattest du bei diesem Lauf nicht diesen Kick mit den Halluzinationen???

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BeitragVerfasst: Mi, 22 Sep, 2010 9:34 
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Nee, der Kick stellt sich nicht immer ein. Das ist so eine Gratwanderung, ob es mir noch gerade gut geht oder schon schlecht... Vita

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